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Der Concierge erzählt

Ein Bericht vom Fachbereichs-Jubiläum, garantiert uninformativ und voller Halbwahrheiten; ausgedacht vom Concierge.

Das Festkolloquium

,,Sie stehen da im Fluchtweg`` ruft der in unserem Rücken herbeigeschlichene Hausmeister, der, sich aus der Sicherheit seines Glaskastens in unbekanntes Terrain begebend und - einer gegen zwei - in der Minderzahl befindlich, uns todesmutig und in Verteidigung der Durchführungsrichtlinien zur Verwaltungsvorschrift der Brandschutzverordnung dazu ermuntert, erneut den Tisch und sämtliche zwei Dutzend Kartons zu verrücken. So sitzen wir nun halb in einer Riesenpalme (P. monstrosa inconvenientia) und im Zug. Es beginnt zu schneien. ,,Mok de Dör dicht! - Schweinebande.``

Das Geomatikum liegt, grau in der Wandfarbe, leer und still in der tristen Großstadtwüste. Im Hörsaal 1 ruhen zwei Trauergebinde, die die Feierstunde ,,25 Jahre Informatik in Hamburg`` umrahmen sollen.

Plötzlich erscheinen aus allen Richtungen Leute, Herren zumeist, in dunklen Anzügen und mit feierlichen Gesichtern, Jubiläums-Buttons uns aus den Händen zu reißen für viel Geld und anschließend der Informatik letztes Geleit zu geben in eine Zukunft, in der der Fachbereich möglicherweise eine bessere Verbindung zum Campus genießt, dies ein running gag der verschiedenen Festredner. Zu schön, um ...

Der Vormittag verstreicht zäh, immer wieder von Ausbrüchen von Betriebsamkeit unterbrochen. Buttons werden geschnitten, eingelegt, gestanzt, gestanzt (2. Arbeitsgang), verkauft, Herr Kudlek erklärt uns das Logo, wir erklären alten Herren, daß wir nicht im 3. Stock arbeiten, wir erklären den Käufern das Logo, Herr S. (,,Toddi``) nimmt Hunderter aus der Spendenkasse, Herr Kudlek erklärt den Käufern das Logo, alte Herren fotografieren uns in der Annahme, wir wären wegen der Habilitierung ihrer Studentinnen da, Schneewehen bilden sich um unsere Beine, Herr Kudlek erklärt das Logo, wir erklären alten Herren, daß die Fotos nicht in den 3. Stock geschickt werden sollen, Herr S. nimmt Scheine aus der Spendenkasse, Hologramme vom M.I.T. erscheinen vor uns und verschwinden wieder, Mathematik-Studenten erzählen uns Witze über Primzahlen, man fordert uns auf, Linux und Eiffel an Schüler auszuteilen, alte Herren versprechen uns, mal im 3. Stock vorbeizukommen, und die Mensa hat bayerische Woche.

Denkwürdige Aussprüche: ,,Tür zu``, ,,Die Buttons sind viel zu billig`` (Prof. S.), ,,Ich kann mich nicht entscheiden`` (ca. zwanzigmal), ,,Bei dem Theoretiker sind Sie rausgegangen. Das ist bei den Hamburgern ja häufiger so.`` (ein Prof.), ,,Tür zu, verflixt noch mal``, ,,Die bits waren früher viel größer``, ,,Ich nehm mir mal wieder was aus der Kasse`` (Herr S.).

Das Kolloquium soll ansonsten sehr feierlich gewesen sein. Mit einem schönen Streichquartett.

Tag der offenen Tür

Der Concierge steht auch heute wieder an zentraler Position auf dem Informatik-Gelände, welches die anstürmenden Massen kaum aufnehmen kann, die sich den Tag der offenen Tür nicht entgehen lassen, um von Professor vH. die Hand geschüttelt zu bekommen und von den Theoretikern einige Kekse abzustauben, welche noch bis weit in den Tag hinein keinen Ausgang erhalten (die Theoretiker, nicht die Kekse), zum Erwerben der unvergleichlichen und limitierten Jubiläums-Buttons, wiewohl Prof. K. auch heute sein löbliches Werk weiterführt und über 8-Bit-Lochkartencodes informiert.

Die Menge schiebt sich durch das Informatikum auf der Suche nach dem Internet, welches bald gefunden wird im Raum D-114. Dort sitzt Herr L. in einer dunklen Ecke und malt, um im Minutenabstand beim Concierge vorzusprechen zur Stanzung angemalter Buttons, welche zu horrenden Preisen Herrn L. aus den Händen gerissen werden, der jedoch Personal einzustellen nicht den unternehmerischen Tatendrang zeigt, wiewohl er schon auf Wochen hinaus ausgebucht ist von den anbrandenden Mengen farbgieriger Buttonliebhaber(innen) auf der Suche nach dem manufakturierten Einzelstück.

Der Concierge registriert minutiös die Identitäten der anstürmenden Besucher, stellt einen entsetzenden Mangel an Studierenden fest, der zur abendlichen Fete einen traurigen Höhepunkt erreichen soll, wiewohl bis dann noch einige Stunden zu überstehen sind, in denen einige alte Bekannte auftauchen (,,Ich nehme mal wieder ein paar Scheine raus``), die am Vortag noch auf Strümpfen durch die Gänge des Rechenzentrums gewandert waren, bekannte Sätze zu Gehör gebracht werden (,,Ich kann mich nicht entscheiden``, ,,Früher waren die bits aber ...``), und Mittagspausen angetreten werden.

Die letztere Maßnahme sollte sich als Fehler herausstellen, denn als der Concierge die Vertretung ablösen will, stellen wir (ja, wir bekennen uns zur Schizophrenie) mit Entsetzen fest, daß Müll auf dem Tisch steht, die Kerze ausgelaufen ist, Kaffeeflecken auf den Schildern, die Festschriften alle, die Buttonmaschine verklemmt, weshalb wir fortan eisern bis tief in die Nacht ausharren, ohne uns vom Fleck zu wagen.

Die Jubiläumsparty

Tausend Personen kann die Fete fassen, auf drei Etagen, in fünf Räumen und zwei Foyers, einem Garderobenraum, einem Raucherzimmer und einem Außengelände will das Feten-Team die Nacht mit Dutzenden von Lautsprechern, einer Lichtanlage und einem Nebelwerfer bearbeiten bis an die Belastungsgrenzen der Hausmeister und Pförtner. Am Vorabend hatten die Helfer/innen Tische gerückt, Stühle getragen, buntes Papier geklebt, Fenster verhängt, Kabel gelegt (manche mehrmals), Lautsprecher installiert und Pizza gegessen.

Die Fete wird dann laut, lustig, von Ehemaligen und Profs gut besucht, Studierende werden in einzelnen Exemplaren gesehen, selbst Tanzpaare rotieren durch die überraschten Zuschauer. Der Concierge berichtet seinem Kollegen: ,,Toddi sucht Frau T.``. Herr S., neben ihm: ,,Ich habe sie schon gefunden.`` Die Buttons werden teurer, schließlich übergibt der Concierge den Verkauf der Festschriften an die Theke mit dem Auftrag, Geld in einer Kiste zu sammeln. Später wird dann der Concierge die Theke besuchen und, dem großen Vorbild nacheifernd, mit den Worten ,,Ich nehm mal was mit`` einige Scheine einstecken, was die Tresenangestellten mächtig beeindruckt.

Es wird spät, ein hier nicht genannter Professor hüpft durch die Disco (welche eine Etage darüber ein Gefühl wie ,,halbe Kraft voraus`` produziert, vor der Tür dumpfes Gedröhn und ein Geflacker wie ein Warpkernbruch, drinnen ein Inferno aus Lärm, Nebel und Blitzen), aber gegen zwei hat auch Herr Oberquelle genug. Als der Laden langsam leer wird, verteilt man die letzten Festschriften: ,,Will etwa noch jemand eine`` - ,,Ja, ich.`` - ,,Gut, dann eben nicht.`` Schließlich, als auch das Buffet nach den Worten des Herrn Obersprecher ,,Hier ist der letzte Käse`` abgeräumt wird, senkt sich die Nachtruhe über das Gelände, verlassen liegen die Gebäude im gelben Schein der Laternen, und die vom Lärm vertriebenen und lichtscheuen Wesen namens Programmierer wagen sich langsam wieder aus ihren Höhlen, um auf die nächtliche Jagd nach Bugs und Cola zu gehen.
Jesco


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Arne Witte
Mon Jan 27 11:59:00 MET 1997