Das Projekt
wurde von Mitgliedern der Fachbereiche Philosophie und Sozialwissenschaften
sowie Informatik beantragt und von der DFG im Rahmen des neuaufgelegten
Schwerpunktprogrammes ,,Sozionik" bewilligt. Diese neue Forschungsrichtung
wird transdisziplinär von der Soziologie und der Informatik bearbeitet.
Die Sozionik entstand in den USA etwa 1980 durch die Entdeckung und Verfolgung
gemeinsamer Interessengebiete beider Disziplinen. Nach dem Vorbild der
Bionik, die in biologischen Strukturen entdeckte Prinzipien für den
Bau von Maschinen auszunutzen sucht, werden in der Sozionik soziologische
Erkenntnisse zur Verbesserung kommunizierender Programme eingesetzt. So
tragen etwa beim sogenannten verteilten Problemlösen statt nur einem
mehrere Programme zur Lösung einer Aufgabe bei, wobei deren Interaktion
teilweise menschlicher Kommunikation nachgebildet wird. Solche Programme
werden Softwareagenten genannt, da Sie auf Grundlage spezifischer nur ihnen
vorliegender Information in gewissem Grade selbstständig handeln.
Die Konstruktion von computergestützten Systemen sollte insbesondere
von Ergebnissen der Soziologie profitieren, wenn die Interaktion mit Menschen
eingeschlossen sind. Bei hinreichender Komplexität eines solchen Systems
spricht man von künstlichen Sozietäten. Die Sozionik hat sich
aber auch die Aufgabe gestellt, unabhängig vom Rechnereinsatz die
Soziologie selbst zu bereichern. Durch Modellierungstechniken der Informatik
können beispielsweise soziologische Theorien und Verfahren neu formuliert
und konkret modelliert werden, um durch eine Neubewertung zusätzliche
Erkenntnisse zu gewinnen.
Das bewilligte
Projekt begann im Oktober unter dem Titel ,,Agieren in sozialen Kontexten
- ein sozionischer Ansatz zur Modellerstellung und Theoriebewertung" unter
der Leitung der Antragsteller Prof. Rolf von Lüde (Institut für
Soziologie) , Dr. Daniel Moldt und Prof. Rüdiger Valk (beide Fachbereich
Informatik). In diesem Rahmen werden u.a. typische, und insbesondere problematische
Entscheidungsstrukturen öffentlicher Verwaltungen untersucht. Bereits
in den 70er Jahren haben soziologische Arbeiten gezeigt, wie bestimmte
Verwaltungsstrukturen unsinnige Ergebnisse begünstigen und chaotisches
Verhalten provozieren. Diese sind als ,Garbage Can`-Phänomene in der
wissenschaftlichen Diskussion.
In dem Projekt
werden Multiagentensysteme auf der Basis von Petrinetzen entworfen. Letzere
stellen einen innerhalb der Informatik entwickelten Formalismus zur Handlungsmodellierung
dar, der relativ leicht auch Nichtinformatikern vermittelt werden kann.
Ziel des Projektes ist es einerseits soziologische Theorieansätze
weiterzuentwickeln und umgekehrt auch informatische Unterstützungssysteme
für Verwaltungsabläufe soziologisch abzustützen, um Fehlentwicklungen
zu vermeiden. Bereits in der Antragsphase sind vielversprechende erste
Lösungen gefunden worden. Die Modelle können sowohl als abstrakte
Formalismen wie auch in der Form lauffähiger Rechnerprogramme benutzt
werden. Die Gesamtdauer des Projektes ist auf 6 Jahre angelegt.