Weißbier ist ein obergäriges Bier, das in Deutschland mindestens zur Hälfte aus Weizenmalz hergestellt sein muss. Oft nennt man es einfach „Weizenbier“, „Weizen“, „Hefeweizen“ oder „Hefe“. Hauptsächlich in Bayern kommt – mit Ausnahme Frankens, der nördlichen Oberpfalz, Niederbayerns nördlich der Donau und Schwabens – der ältere, allgemeine Begriff Weißbier vor. Aus etymologischer Sicht leitet sich „Weizen“ von „weiß“ ab: „Weißbier“ ist sprachgeschichtlich ursprünglicher.
Weißbier hat in der Regel einen Stammwürzegehalt zwischen elf und 14 Prozent. Der Alkoholgehalt liegt normalerweise bei fünf bis sechs Volumenprozent (Abkürzung: %vol). Es gibt aber auch Weizenstarkbiere mit einem Stammwürzegehalt von bis zu 20 Prozent und einem Alkoholgehalt von über acht Volumenprozent. Weißbier hat - je nach Marke - einen Brennwert von circa 44 kcal pro 100 ml.
Weißbiere lassen sich aufgrund ihrer Ausstattung mit Aromastoffen in vier Typen unterteilen:
Bei Weißbieren unterscheidet man vornehmlich zwischen zwei Herstellungsverfahren:
Stabilisierung: Danach wird das Bier oft filtriert und beim Abfüllen wieder mit der zwischenzeitlich durch Hitze abgetöteten Gärhefe und den mit ihr zuvor ausgefilterten Trubstoffen versetzt. Auf diese Weise wird ohne Pasteurisation des gesamten Bieres eine größtmögliche Haltbarkeit des Produkts bei möglichst konstantem Geschmack erreicht. Beim Einsatz vitaler Hefen kann auch ohne vorherige Filtration über den Kurzzeiterhitzer gefahren werden, ohne dass die Zellen Schaden nehmen.
Die Farbe des Weißbieres ist von der Art des Malzes abhängig. Kristallweizen sind meist von sehr heller, klarer Färbung. Bei den Hefeweißbieren reicht das Spektrum von hellen, goldgelben Sorten über nussbraune Biere bis zu tiefdunkelbraunen schwarzen Weißen mit vollmundigem, malzig-rauchigem Aroma und in der Regel einem höheren Alkoholgehalt. Die dunklen Sorten zählen oft zu den Starkbieren.
Daneben werden auch alkoholfreie und „leichte“ (alkoholarme) Weißbiere hergestellt.
Bayern hat die längste Geschichte und Tradition im Weißbierbrauen in Deutschland und daher auch die größte Bandbreite an unterschiedlichen Weißbiersorten, die teilweise nur regionale Verbreitung finden. Es gibt auch in Oberösterreich und Salzburg insgesamt sechs Brauereien, die Weißbier brauen. Ebenso wird Weißbier (etwas anderen Charakters als in Bayern) gebraut in den Niederlanden und Belgien (Witbier), sogar gelegentlich in den USA (wheat, aber auch durchaus als Weizen).
Weißbier wird traditionell in besonders geformten hohen, schlanken Gläsern ausgeschenkt. Die Form der Weißbiergläser wurde so gewählt, damit die Kohlensäureperlen lange durch das Getränk nach oben steigen können und es lange frisch und spritzig halten. Übrigens dient der verstärkte Glasboden nicht zuletzt auch dazu, um mit dem Bier traditionsgemäß „unten“ anzustoßen. Die Gläser werden vor dem Befüllen mit kaltem Wasser ausgeschwenkt, um die besonders starke Schaumentwicklung dieser Biersorte unter Kontrolle zu halten. Die lange Tradition hat gerade in Bayern zu verschiedenen Bräuchen im Umgang mit dem Bier geführt. So gibt es unterschiedliche Auffassungen, wie man korrekt das Glas füllt: vorsichtiges Eingießen oder Umstülpen der Flasche ins Glas (jedoch wird diese Art des Einschenkens oftmals abgelehnt, da so der unter Umständen schmutzige Flaschenhals komplett im Bier liegt).
Weißbier gilt als typisches Sommerbier. Es muss aber unbedingt kühl und stehend gelagert werden. Es wird kühl, aber nicht eiskalt getrunken, damit sich die gerade bei diesem Bier komplexen Fruchtnoten hinreichend entfalten können. Beim spritzigen Kristallweißbier sind 7–8 °C angemessen, beim hellen Hefeweißbier 8–10 °C, was auch für stärkere und dunkle Sorten gilt.
Verschiedene Ansichten gibt es über das Beigeben von (unbehandelten) Zitronenscheiben – der eine schwört auf den besonders spritzigen Geschmack, der andere ärgert sich über die durch die Frucht schneller zerstörte Schaumkrone. Wie auch bei anderen Getränken wirkt die Zitrone als Geschmacksverstärker. Andererseits neutralisiert die Zitronenscheibe auch die als Schwebstoff enthaltene Hefe. Diese Maßnahme rührt vermutlich noch aus Zeiten, als es noch keine Möglichkeit gab, diese auszufiltern.
Weite Verbreitung hat auch das Ausschwenken der Resthefe gefunden. Hierbei wird vor dem Einschenken des „letzten Schlucks“ noch abgesetzt und dann der Bodensatz durch schwenken der Flasche aufgewirbelt und ins Glas gegeben. Traditionell war dies jedoch nicht üblich und vor allem Kenner mißbilligen den dominaten Hefe-Geschmack, da er das eigentliche Weizenaroma überdeckt.
Allgemein als Unsitte anerkannt und nur für Laien ein vermeintliches „Muss“ ist die Beigabe von Reiskörnern. Diese sorgen dafür, dass sich die Kohlensäure schneller entbindet und das Bier schön sprudelt – genau das ist aber dem spritzigen Genuss abträglich und in Wirklichkeit nur ein optischer Kniff im Einschenken ungeübter Wirte.
Vielerorts existieren unter den regional unterschiedlichsten Bezeichnungen Mischgetränke, die neben Weißbier meist Limonade enthalten. Eine Auswahl:
Mittlerweile werden auch zunehmend fertige Weizenbiermischgetränke angeboten.
Die Herstellung von Bier mit Weizen erfolgte bereits vor Jahrtausenden in Babylon und Ägypten. In Europa gelangte die Technik der Weißbierherstellung im 16. Jahrhundert von Böhmen nach Bayern. Bereits 1520 soll ein niederbayerischer Brauer Weißbier hergestellt haben.
1548 erhielt der Graf von Degenberg das Privileg zugesprochen, nördlich der Donau Weißbier zu sieden.[1] Im übrigen Bayern war das Brauen von Weißbier verboten. Zum einen sollte der Rohstoff Weizen der Bevölkerung zur Ernährung gesichert werden, zum anderen konnte der bayerische Herzog Wilhelm IV. so die Degenberger näher an sich binden. Die Landeshoheit über die Degenberger war nämlich damals noch umstritten.[2] Deshalb musste der Graf von Degenberg als Gegenleistung für das Privileg jährliche Zahlungen leisten. Das Brauen von Weißbier wurde in Bayern im 16. Jahrhundert des Öfteren verboten, da sich nicht alle an das ursprüngliche Verbot hielten. Die Degenberger mussten sich das Privileg in dieser Zeit mehrfach bestätigen lassen.[3]
Als 1602 das Geschlecht der Grafen von Degenberg im Mannesstamm ausstarb, fiel das Privileg zum Weißbierbrauen an den bayerischen Herzog Maximilian I. zurück. Er trat das degenbergische Erbe zügig an, übernahm deren Weiße Brauhäuser und gründete selbst neue (1607 das erste und älteste noch bestehende in Kelheim). Mit manchen Städten oder Märkten schloss er Verträge, die ihm einen Großteil der Einnahmen sicherten und die er jederzeit kündigen konnte.[4] Damit lag das alleinige Recht Weißbier zu brauen in den Händen des jeweiligen bayerischen Landesherrn. Das Argument, der Weizen müsse für die Ernährung gesichert werden, ließ der Herzog im Gegensatz zu seinem Urgroßvater jetzt nicht mehr gelten. Dieses Weißbiermonopol (auch Weißbierprivileg oder Weißbierregal genannt) bedeutete eine sichere Einnahmequelle für den bayerischen Staat: Große Teile der bayerischen Staatseinnahmen kamen aus dem Weißbiermonopol. Die Einnahmen aus den Weißen Brauhäusern im Rentamt Straubing gingen allerdings in die Privatkasse des Landesherrn.[5] Die Wirte im ganzen Land wurden verpflichtet Weißbier auszuschenken, andernfalls würde ihnen die Schankgenehmigung entzogen. Das Weißbier war zwar mit Sondersteuern belegt, wurde aber nur so teuer verkauft, dass der Absatz auch gesichert war.[6] Auch dadurch gelang es Herzog (Kurfürst) Maximilian I., die Schulden seines Vaters zu tilgen und seinem Sohn Ferdinand Maria einen geordneten Staatshaushalt zu hinterlassen.
1617/1618 erscheint erstmalig außerhalb Bayerns in einer Jahresrechnung das Brauen des Weißbieres. Dies geschah in Arnstadt unter dem Bürgermeister Niclas Fischer, welcher gleichzeitig Gastwirt „Zur goldenen Gans“ war. 22 Eimer mit je 72,13 Litern machten nun Arnstadt zum offiziell ersten deutschen Weißbierstandort, obwohl die Bayern es schon vorher brauten. Die Bezeichnung „erster deutscher Weizenbierstandort“ entspricht also nicht der Wahrheit, da im Bayerischen Wald Weizenbier nachweislich seit 1548 hergestellt wird.
Im 18. Jahrhundert ging der Marktanteil des Weißbieres stetig zurück, mit Gesetz vom 6. August 1798 hob der bayerische Kurfürst Karl Theodor das Monopol auf. Zur Zeit der Aufhebung bestanden noch Weiße Brauhäuser in Cham, Grafenau, Kelheim, Regen, Traunstein, Vilshofen und Weilheim. Damals konnte jeder gegen eine Ablösung und jährliche Zahlungen das Recht erwerben, in Bayern Weißbier zu brauen.[7] Ausgenommen davon war das Weiße Hofbräuhaus in München, das in staatlichen Händen blieb, aber verpachtet wurde. 1871 wurde im Weißen Hofbräuhaus in München zum letzten Mal Weißbier gebraut. Letzter Pächter (von 1855-1873) war Georg Schneider, der 1872 vom Hofbräuamt das Weißbierbraurecht des Hofbräuhauses erwarb und damit eine eigene Weißbierbrauerei in München gründete.[8]