Der Bayern-Dusel (von Dusel, d. h. unverdientes Glück[1]) ist ein in Deutschland verbreiteter Fußballmythos. Er bezieht sich auf den Rekordmeister der deutschen Fußball-Bundesliga, den FC Bayern München, und besagt, dass die Mannschaft in knappen Spielen häufig von besonderem Glück begünstigt werde. Der Begriff entstand in den für den Verein besonders erfolgreichen 1970er-Jahren[2], wird von Fans und Vereinen der Konkurrenten als Schlagwort verwendet[3] und ist in der heutigen medialen Fußball-Berichterstattung weit verbreitet. Als Geflügeltes Wort wird Bayern-Dusel auch in Bezug auf andere Vereine angewandt.[4][5]
In deutschsprachigen Medien wird spätestens seit Beginn des neuen Jahrtausends der Bayern-Dusel als Mythos beschworen und rhetorisch überhöht. Ihm werden regelmäßig Attribute wie „typisch“, „sprichwörtlich“, „berühmt“, „legendär“, „gefürchtet“, „unglaublich“ und „ungeheuerlich“ zugewiesen.[6] So ist die Rede von der „Macht des Mythos“[7], einem „lauernden“ und „ewigen“ Bayerndusel, der jederzeit zuschlagen kann.[8] Dabei werden nicht nur Spiele, die die Bayern zu ihren Gunsten entscheiden, sondern auch vermeintliches Glück bei Auslosungen zu Pokalwettbewerben mit dem Bayern-Dusel erklärt.[9][10] Eine kritische Auseinandersetzung mit dem Begriff und seiner Verwendung ist im Sportjournalismus eher selten. Nach einem glücklichen Einzug ins UEFA-Cup-Halbfinale im April 2008 resümierte Jürgen Roth in der taz, dass die Meinung „der Journalisten“, es sei „wieder nur Bayerndusel“ gewesen, „Gefasel und Gemoser“, „mantraartiges Gemotze“, „nichtiges Genöle“ und „wunderbar dämlich“ sei.[11]
Spieler und Verantwortliche des FC Bayern reagieren unterschiedlich auf die Erwähnung des Bayern-Dusels. Der langjährige Kapitän und Torwart des FC Bayern, Oliver Kahn, äußerte nach einem Last-Minute-Sieg über Hannover 96, der für eine Vorentscheidung im Titelkampf 2004/2005 sorgte: „Aus der Tradition des FC Bayern heraus haben wir gute Nerven. Es gibt kein Glück, man muss es erzwingen.“[12] Bastian Schweinsteiger kommentierte nach einem knappen Sieg über den Hamburger SV im Februar 2004 selbstironisch: „Der Bayerndusel ist wieder da!“[13] Auch Felix Magath erklärte während seiner Zeit als Bayerncoach nach einer engen Partie: „Wenn man in der 90. Minute noch ein Tor schießt, ist das eben der berühmte Bayern-Dusel.“[14] Durch die häufig polemische Verwendung des Begriffes reagieren Mitglieder des FC Bayern jedoch mitunter auch dünnhäutig auf das Wort. Uli Hoeneß, der im Jahr 2008 von einem Reporter des vereinseigenen „FCB TV“ gefragt wurde, ob ein knapper 1:0-Sieg gegen den Karlsruher SC auf den Bayerndusel zurückzuführen sei, reagierte mit den Worten: „Sie müssen sich einen anderen Job suchen.“[15]
Von Konkurrenten wird mitunter auch die These vertreten, dass der vermeintliche Bayern-Dusel in Wahrheit auf einer latenten oder bewussten Bevorteilung der Bayern durch den Deutschen Fußball-Bund (DFB) im Allgemeinen und Schiedsrichter im Speziellen beruhe. In diesem Zusammenhang ist teilweise auch von einem vermeintlichen Bayernbonus die Rede.[16][17] Argumentiert wird, dass sich der DFB aufgrund des großen Einflusses der finanzkräftigen und meinungsstarken Bayern teilweise nicht traue, harte Entscheidungen gegen den Verein zu treffen, was dann auch bei einzelnen Funktionären dieses mächtigen Verbandes – wie etwa den jeweiligen Schiedsrichtergespannen – zu vorauseilendem Gehorsam bei der Bewertung konkreter Spielsituationen führe.
In seinem Buch Matchwinner und Pechvögel: Ergebniserklärung in der Fußballberichterstattung stellt Christian Schütte fest, dass es sich beim Bayern-Dusel um ein „gängiges Erklärungsmuster in der Fußballberichterstattung“ handelt, das ganz bewusst nicht hinterfragt würde. An einer „rationalen Auseinandersetzung mit statistischen Daten“ bestehe „kein Interesse.“ Als vorderste Erklärung für die „hartnäckige Überzeugung einer irrationalen Vorstellung“ nennt Schütte deshalb auch die selektive Wahrnehmung: Ein Mythos sei gegen Gegenbeispiele resistent und nur Bestätigungen, nicht Widerlegungen würden registriert. Als eine weitere wichtige Voraussetzung für die Etablierung des Bayern-Dusels als deutschen Fußballmythos gilt für Schütte der konstante Erfolg der Bayern. Zudem hält es Schütte für möglich, dass die sportliche Überlegenheit eine Art ökonomische Spielweise zulässt, um durch Erfahrung, konditionelle und psychische Stärke tatsächlich überdurchschnittlich häufig knappe Spiele in der Schlussphase für sich zu entscheiden. Zusätzlich führt Schütte den Umstand an, dass der FC Bayern ein stark polarisierender Verein sei und es „für diejenigen, die die Bayern nicht mögen, […] eine Erleichterung [ist], nicht die Leistung der Mannschaft anerkennen zu müssen, sondern ihr Glück für ihre Erfolge verantwortlich machen zu können.“[18]
In der Fachpublikation „Management für die Champions League: Was wir vom Profifußball lernen können“ wird der Bayern-Dusel als direkte Folge des Selbstvertrauens beschrieben, das den Spielern beim FC Bayern „eingeimpft“ würde.[19] Eine ähnliche Auffassung vertritt der Managementberater und Sportphilosoph Reinhard K. Sprenger. Auf die Frage, wie der „seit Jahrzehnten andauernde Bayern-Dusel“ zu Stande komme, antwortete Sprenger in einem Zeitungsinterview: „Ungefähr ab der 85. Minute greift die enorme Erfolgszuversicht der Bayern-Spieler. Und in gleichem Maße schrumpft sie bei den Gegenspielern. Der FC Bayern schafft es, diesen Mythos der Erfolgszuversicht immer wieder neu zu impulsieren.“[20] Der Sportpsychologe und ehemalige Profifußballer Philipp Laux, der gegenwärtig beim FC Bayern München angestellt ist, führte in einem Interview aus, spielentscheidend sei „kein Dusel, sondern der Glaube, jedes Spiel zu jedem Zeitpunkt noch gewinnen zu können. Diese Überzeugung, die hier [beim FC Bayern] sehr ausgeprägt ist, hat aber auch wieder etwas mit der Erwartungshaltung zu tun und mit den Zielen, die sich der Verein steckt, und mit denen sich die Spieler identifizieren.“[21]