Julian Paul Assange[1] [əˈsɑːnʒ] (* 3. Juli 1971[2] in Townsville, Queensland, Australien)[1] ist ein australischer politischer Aktivist, Journalist und ein Sprecher von WikiLeaks. Er ist neben WikiLeaks-Sprecher Kristinn Hrafnsson sowie Daniel Domscheit-Berg und Herbert Snorrason, die WikiLeaks im September 2010 verließen,[3] eines der wenigen bekannten Gesichter der Whistleblower-Plattform im Internet, die es sich zum Ziel gesetzt hat, geheim gehaltene Dokumente allgemein verfügbar zu machen. Assange machte widersprüchliche Aussagen dazu, ob er als Gründer der Organisation bezeichnet werden könne.[4][5][6]
Julian Assanges Eltern betrieben einen Wanderzirkus. Er verbrachte seine Kindheit in der Nähe des australischen Ortes Byron Bay, einem Zentrum für alternative Künstler. Später zog die Familie auf die Insel Magnetic Island bei Townsville.[7] Nach der Trennung seiner Eltern wuchs Assange bei seiner Mutter auf, die 1979 einen Musiker heiratete. Aus dieser Ehe ging Assanges Halbbruder hervor. Nach der erneuten Trennung wechselte Assanges Mutter, da sie filmschaffend tätig war und sich zeitweise auf der Flucht vor einer Sekte und ihrem zweiten Mann befand,[8] mit beiden Kindern häufiger den Wohnort, wodurch diese zu häufigen Schulwechseln und zwischenzeitlichem Hausunterricht gezwungen waren.
Später studierte Assange Physik und Mathematik an der University of Melbourne,[1] ohne jedoch einen Abschluss zu erlangen.[9] Als die mathematische Fakultät seiner Universität im Rahmen eines Vertrages mit der US-Armee Studien erstellte, die das Verhalten von militärisch eingesetzten Truppentransportern und Bulldozern verbessern sollten, exmatrikulierte sich Assange aus Protest gegen das, was er „die Optimierung einer Killer-Maschine“ nannte.[10]
Erste Programmiererfahrungen sammelte Assange auf einem C64, 1987 beschaffte er sich ein Modem.[7] Unter dem Pseudonym „Mendax“ (Lateinisch für "Lügner") begann er erste Aktivitäten als Hacker. Er und zwei weitere Hacker schlossen sich zusammen und gründeten eine Gruppe namens „International Subversives“. Aufgrund dieser Aktivitäten führte die „Australian Federal Police“ 1991 in seinem Haus in Melbourne eine Razzia durch. 1992 wurde Julian Assange in 24 Fällen des illegalen „Hackens“ für schuldig befunden, weshalb er ein Bußgeld in Höhe von 2100 australischen Dollar bezahlen musste und eine Bewährungsstrafe erhielt.[11] 1995 schrieb Assange den ersten freien Portscanner namens Strobe.[12] Er beschäftigte sich auch mit Verschlüsselungssoftware und erfand 1997 das Dateisystem Rubberhose, das einen glaubhaft abstreitbaren Verschlüsselungsmechanismus darstellt.[13]
Während seiner Zeit als Hacker lernte er seine spätere Frau kennen. 1989 zogen beide zusammen, ein gemeinsamer Sohn wurde geboren. 1991 trennte sich das Paar. 1999, nach einem jahrelangen Rechtsstreit, einigten sich Assange und seine Mutter Christine mit der Kindesmutter auf ein gemeinsames Sorgerecht.[7]
Seit 2006 ist er für WikiLeaks aktiv. Nach eigener Aussage hat er „im Internet Geld verdient“ und konnte somit unbezahlt für WikiLeaks arbeiten.[4] Infolge seiner Arbeit für WikiLeaks wurde er mehrmals verhaftet, abgehört, zensiert und auch verklagt, allerdings erfolglos.[14]
Assange kündigte seinem bis dahin engsten Vertrauten Daniel Domscheit-Berg im August 2010 in einem Chat. Domscheit-Berg hatte zunehmend Kritik an der Arbeitsweise von Wikileaks geäußert: er wollte feste Strukturen, ein Büro, bezahlte Angestellte. Und er wollte über diese Dinge offen diskutieren. Später verarbeitete er seine Kritik in einem Buch.[15]
Die Regierung der Vereinigten Staaten betrachtet infolge verschiedener für sie problematischer Veröffentlichungen durch WikiLeaks deren exponierteste Person, Julian Assange, als Bedrohung ihrer nationalen Sicherheit. Allerdings ist nicht klar, gegen welche Gesetze Assange, der es zuletzt vermied, in die USA einzureisen, konkret verstoßen haben soll. Nach der Verhaftung von Bradley Manning, dem vorgeworfen wird, das Video „Collateral Murder“ und die Depeschen amerikanischer Botschaften an WikiLeaks weitergegeben zu haben, stand Beihilfe zur Spionage als möglicher Anklagepunkt im Raum. Assange selber beruft sich auf den Freedom of Information Act; er habe das Material nur veröffentlicht, nicht selber beschafft und der Name Mannings sei ihm erst aus den Medien bekannt geworden. Manning sollen Hafterleichterungen angeboten worden sein, für den Fall, dass er aussage, Assange habe ihn angestiftet. Eine solche Aussage würde eine Verfolgung Assanges wegen Verschwörung erleichtern. Nach monatelangen Ermittlungen war es den amerikanischen Behörden jedoch nicht möglich, eine direkte Verbindung zwischen Manning und Assange nachzuweisen.[16]
Die US-Regierung zog auch in Erwägung, ein Gesetz aus dem Jahre 1917 (Espionage Act USC 18, Pt. 1, Ch. 37),[17] das zur Zeit des Eintritts der USA in den Ersten Weltkrieg geschaffen wurde, gegen Assange anzuwenden. Die Problematik besteht aber in der Formulierung des Gesetzes, dessen Intention gegen Spionage mit der Situation zu Beginn des 21. Jahrhunderts nichts mehr zu tun hat. Es wurde 1971 erfolglos gegen Daniel Ellsberg angewendet und steht im Widerspruch zum First Amendment, einem Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten.[18] Assange selber befürchtet eine Auslieferung von England oder Schweden aus in die USA.[19][20][21][22] Die USA versuchen auch Hilfe von Deutschland, dem Vereinigten Königreich, Australien sowie anderen Verbündeten zu erhalten.[23] Für den Fall einer Auslieferung an die USA fürchtet Assange um sein Leben.[24] Um dem vorzubeugen, gab er Ende 2010 bekannt, dass, sollte ihm etwas zustoßen, WikiLeaks auf 2000 Webseiten weltweit alle noch nicht veröffentlichten Dokumente auf einmal ins Netz stellen würde.[25]
Allerdings gelang es den Behörden der Vereinigten Staaten bis Februar 2011 nicht, eine Anklage gegen ihn zu formulieren oder einen Auslieferungsantrag an Großbritannien zu stellen.[26]
Seit Ende August / Anfang September 2010 läuft in Schweden ein Verfahren gegen Assange wegen sexueller Vergehen an zwei Schwedinnen.[27] Unterstützer Assanges sehen das Verfahren als Schmierkampagne politischer Gegner an, um WikiLeaks zu schaden. Schwedens zuständige Staatsanwältin (överåklagare in Schweden) Marianne Ny betonte daraufhin im Dezember 2010, keinerlei politischem oder anderweitigem Druck ausgesetzt zu sein.[28]
Einen Tag, nachdem die schwedische Piratenpartei Wikileaks ihre Server in Solna angeboten hatte (s.u.), wurde am 20. August 2010 ein Haftbefehl gegen Assange wegen Vergewaltigung erlassen, am Tag darauf aber wieder aufgehoben, da die Ermittlungsbehörde den Vorwurf der Vergewaltigung als unbegründet ansah. Nachdem bekannt geworden war, dass Assange bei der schwedischen Zuwanderungsbehörde eine dauerhafte Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung beantragt hatte, nahm die schwedische Ermittlungsbehörde – unter der neuen Anklägerin Marianne Ny – am 1. September 2010 ihre Ermittlungen gegen Assange wieder auf,[29] nun wegen „sexueller Nötigung und sexueller Belästigung“.[30] Assange selbst bestritt die Vorwürfe und sprach von „schmutzigen Tricks“ seiner Gegner.[31]
Am 18. November 2010 beantragte die schwedische Staatsanwaltschaft erneut einen Haftbefehl wegen Vergewaltigung, sexueller Belästigung und Nötigung; das zuständige Amtsgericht beschloss einen international wirkenden Haftbefehl. Assange ging in Berufung. Das zweithöchste schwedische Gericht ließ den Haftbefehl bestehen, milderte jedoch den Anklagepunkt der Vergewaltigung auf „minder schwere Vergewaltigung“ ab.[32][33]
Am 1. Dezember 2010 wurde bekannt, dass Interpol[2] eine „Red Notice“ gegen Assange erlassen hatte. Diese „roten Mitteilungen“ bedeuten, dass die 188 Mitgliedsstaaten von Interpol das Land, aus dem der ursprüngliche Haftbefehl stammt, bei der Suche nach einer Person „mit Blick auf ihre Festnahme und Auslieferung“ unterstützen sollen. Bei der sogenannten „Red Notice“ handelt es sich um das schärfste Mittel, das Interpol zur Verfügung steht. Im Deutschen wird dies häufig als „Internationaler Haftbefehl“ bezeichnet. Interpol selbst vermeidet jedoch im englischen Sprachgebrauch diese Bezeichnung, um den Unterschied zu den nationalen Haftbefehlen zu betonen.[34][35] Assange wurde wegen der gegen ihn in Schweden erhobenen Vergewaltigungsvorwürfe gesucht. Sein Anwalt hatte wenige Stunden vor der Veröffentlichung der „Red Notice“ durch Interpol ein Berufungsgericht in Schweden angerufen und die Aufhebung des schwedischen Haftbefehls beantragt.[36][37]
Am 7. Dezember 2010 stellte sich Assange in London der Polizei und wurde in Untersuchungshaft genommen.[38] Er befand sich im dortigen Gefängnis Wandsworth.[39] Eine Woche später entschied ein Londoner Gericht, Assange gegen eine Kaution von 200.000 britischen Pfund in bar (ca. 240.000 €) zuzüglich der Bereitstellung von 40.000 Pfund durch zwei Bürgen freizulassen. Außerdem muss er eine elektronische Fußfessel tragen und eine Reihe weiterer Auflagen einhalten. Nachdem die britische[40][41] Staatsanwaltschaft Berufung gegen die Freilassung eingelegt hatte,[42] entschied das Gericht am 16. Dezember 2010, Assange dennoch zu den oben genannten Bedingungen auf Kaution aus der Haft zu entlassen,[43] was noch am selben Tag geschah.[44] Der Journalist Vaughan Smith beherbergte Assange und bekannte sich öffentlich zu seiner Unterstützung. Im Januar 2011 fand eine kurze Verhandlung in London statt, eine weitere Anhörung zur möglichen Auslieferung nach Schweden begann am 7. Februar und wurde weiter vertagt.[45] Der Londoner Magistrates’ Court entschied noch im Februar, dass Assange an Schweden ausgeliefert werden dürfe. Assange legte dagegen Berufung ein; der Londoner High Court kündigte die Fortsetzung des Verfahrens für Mitte Juli an.[46]
Nachdem Assange durch die Veröffentlichung von US-Militärdokumenten zum internationalen Militäreinsatz in Afghanistan politisch unter Druck geraten und eine gewaltsame Stilllegung der WikiLeaks-Server in den USA zu befürchten war, stellte Mitte August 2010 die schwedische Piratenpartei WikiLeaks ihre Internetserver zusätzlich zu den bereits in Solna bestehenden des Unternehmens PRQ AB zur Verfügung.[47]
Da Journalisten in Schweden einen ungleich umfassenderen Quellenschutz als anderswo genießen, allerdings nur bei Besitz des „Utgivningsbevis“, einer speziellen schwedischen Lizenz,[48] hatte Assange seinerseits etwa zur selben Zeit eine schwedische Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis beantragt. Der Chef der schwedischen Piratenpartei, Rickard Falkvinge, teilte in diesem Zusammenhang den Medien mit, dass Assange mit einem schwedischen Wohnort den Status eines „medienverantwortlichen Herausgebers“ anstreben und damit eine Basis dafür schaffen würde, WikiLeaks auf legaler Grundlage weiterzuführen.[49]
Nach den beiden in der Zwischenzeit gegen ihn ergangenen Haftbefehlen (s. o.) wurde Assanges Antrag schließlich im Oktober 2010 ohne Angabe von Gründen abgelehnt.[50]
Im Gefolge der gegen ihn geführten Ermittlungen der schwedischen Justiz und seiner kurzfristigen Inhaftierung änderte Assange seine Meinung über Schweden: Das Bild vom sozialdemokratischen Musterstaat sei falsch, viel eher zutreffend das düstere Bild, das Stieg Larsson in seinen Romanen gezeichnet habe.[51]
Anfang November 2010 erklärte Assange, er erwäge in der Schweiz Asyl zu beantragen und WikiLeaks dort anzusiedeln. Damit sollten die politisch brisanten Aktivitäten der Enthüllungsplattform abgesichert werden.[52] Die Chancen zur Annahme dieses Asylantrags seien nach Angaben der Schweizerischen Flüchtlingshilfe gering. Assange müsse zuerst den Schutz seines Heimatlandes Australien in Anspruch nehmen und glaubhaft machen, dass Australien ihn nicht schützen könne, was sehr schwierig sei.[53]
In der Folge der Veröffentlichung von geheimen Botschaftsberichten im November 2010 bot der stellvertretende Außenminister von Ecuador, Kintto Lucas, Assange ein Aufenthaltsrecht ohne weitere Bedingungen in dem südamerikanischen Land an.[54] Rafael Correa, der Präsident von Ecuador, dementierte das Asylangebot. Dies sei eine persönliche Ansicht von Lucas gewesen, stellte Correa klar.[55]
Julian Assange sah sich scharfen Angriffen konservativer Kreise in den USA ausgesetzt, die darin gipfelten, dass Vizepräsident Joe Biden ihn als Terroristen bezeichnete und Offiziere der US-Armee, Journalisten und Politiker wie z. B. Sarah Palin öffentlich forderten, ihn als solchen zu verfolgen, und dabei auch seine Tötung in Kauf zu nehmen. Andere forderten explizit seine Hinrichtung ein,[56] wie der Radiomoderator Rush Limbaugh[57] oder Tom Flanagan, ein Berater des kanadischen Premierministers, der forderte, Assange mittels einer Drohne zu ermorden,[58] dies kurz darauf jedoch als „unbedacht“ bezeichnete.[59]
Öffentliche Aussagen, die zur Verfolgung und Ermordung Assanges aufrufen, werden auf einer eigens eingerichteten Seite, die WikiLeaks zugeschrieben wird, mit Quellennachweis dokumentiert.[60]
Assange kündigte im Januar 2011 ein autobiographisches Buch an, das im Herbst weltweit bei dem schottischen Verlag Canongate Books und in den USA bei Alfred A. Knopf verlegt werden sollte. Die deutschsprachigen Rechte wurden an Kiepenheuer & Witsch vergeben. Weitere Verlage in Europa, Brasilien und Australien sicherten sich die Rechte für ihre jeweiligen Buchmärkte.[67][68] Nach eigener Aussage wollte Assange das Buch nicht schreiben, benötigte aber das Geld, um sich juristisch gegen die Vorwürfe in Schweden zu verteidigen und WikiLeaks unterstützen zu können.[69]
Anfang März 2011 wurde bekannt, dass Assange, ähnlich wie andere prominente Personen, beim britischen Intellectual Property Office beantragte, seinen Namen und den von WikiLeaks unter Markenschutz stellen zu lassen.[70] WikiLeaks unterhält auch einen eigenen Webshop mit Merchandising-Artikeln.[71]
Ein Film über Assanges Leben ist von Steven Spielberg geplant, dessen Studio DreamWorks Interactive sich im März 2011 die Rechte an der Verfilmung von zwei Büchern sicherte.[72]
Der australische Arzt und Autor Ron Elisha schrieb unter dem Titel Stainless Steel Rat („Edelstahl-Ratte“) ein Theaterstück über das Leben Assanges, das unter der Regie von Wayne Harrison seit Mai 2011 in Sydney geprobt wurde und im dortigen Seymour Centre der Universität Sydney seit Ende Juni aufgeführt wird.[73][74][75]
Personendaten | |
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NAME | Assange, Julian |
ALTERNATIVNAMEN | Assange, Julian Paul |
KURZBESCHREIBUNG | australischer politischer Aktivist, Journalist und Herausgeber |
GEBURTSDATUM | 3. Juli 1971 |
GEBURTSORT | Townsville, Australien |