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Informatik mit Zukunft?

Es ist mal wieder so weit. Nach Professor V. ist nun auch Professor Sch. nach Harburg abgewandert. Wir werden ihn vermissen. Am meisten wird mir sein professionelles Management fehlen. Das habe ich immer bewundert. Man kommt an, um ihn zu sprechen, landet aber im Vorzimmer und darf sich erst einmal zur Sprechstunde anmelden. Er holte Drittmittel an den Fachbereich wie kaum ein anderer, und verstand es, sich damit groß zu tun. Man konnte sehen, daß er Geld hatte. Aber leider war es unserem Fachbereich wegen der angespannten Haushaltslage der Freien- und Hansestadt Hamburg, die sich auch gerne als Forschungs- und Hochschulstadt Hamburg bezeichnet, wohl eher aber ein Finanzlücken und Haushaltsloch Hamburg ist, nicht möglich, die Rahmenbedingungen zu liefern, zu denen Professor Sch. geblieben wäre.

Es gilt nach wie vor, daß die Aufstiegschancen innerhalb der Professorenschaft recht schlecht sind. Um eine Gehaltsstufe höher zu kommen, muß man erst den Hochschulstandort wechseln. Damit verlassen fähige Mitarbeiter die Uni. Stellen müssen wegen der angespannten Haushaltssituation gestrichen werden, damit verlassen uns Studienplätze. Als Lösung schießt man auf die ,,LangzeitstudentInnen``, die angeblich Studienplätze blockieren, gerade so als ob sich die Zahl der neuen Studienplätze noch der Zahl der belegten Studienplätze berechnen würde.

Dabei berechnet sich die Zahl der Studienplätze nach der Anzahl der Professoren. Also: mehr Professoren, mehr Studienplätze für Erstsemester.
Jeder Politiker muß sich im Klaren sein, daß es nur zwei Alternativen gibt, wie eine Uni sparen kann. Entweder werden ganze Fachbereiche geschloßen, um das Lehrangebot der übrigen Fachbereiche bei guter Qualität zu halten, oder es werden an allen Fachbereichen Stellen gestrichen, und damit kein vernünftiges Ausbildungsangebot zur Verfügung gestellt, weil nur noch wenige Professoren da sind. Es ist eine Utopie, zu meinen, Jeder Professor könne alles lehren, was mit seinem Fachgebiet zu tun hat. Jeder weiß, daß Mediziner nicht gleich Mediziner ist. Da gibt es Chirurgen und Orthopäden, HNO und so weiter. Bei uns in der Informatik ist es genauso. Viele unserer Profs könnten uns zwar etwas über Datenbanken erzählen. Aber wer steckt denn so tief in der Materie drin, wie Prof. Sch.? Genauso könnten viele etwas über Simulation sagen, aber nicht so gut wie Professor P. Und jeder hat schon mal von VLSI gehört. Lehren kann das aber nur einer, äh zwei, Profs L. und vdH. Man kann jetzt spekulieren, wie es mit uns in der Informatik weitergeht. Zunächst fällt dem Senat auf, daß es zwei technische Informatiken gibt. Also wird eine, die kleinere, dichtgemacht. Dann fällt auf, daß es auch zweimal Datenbanken gibt. Auch die kann man zusammenlegen. Betriebliche Umweltinformationssysteme? Moment mal, das gehört doch zur BWL. Und Anwendungen brauchen die Betriebswirte doch auch für die Wirtschaftsinformatik. Viren sind dort auch gut aufgehoben, und da die sowieso immer beim ,,sicheren Rechenzentrum`` sind, kann man die auf die Wirtschaftsinformatik verlagern.

So nach und nach kann man also die Hamburger Informatik auflösen. Hoffen wir mal, daß sich diese Unkenrufe nicht bewahrheiten, und hoffen wir auf weitere 25 Jahre Hamburger Informatik.

Denn die Schließung ganzer Fachbereiche hat zur Folge, daß die Studenten sich andere Unis suchen müßen, an denen Ihr Fachgebiet noch gelehrt wird. Außerdem muß dieses Fachgebiet dann ausreichend in der Lehre und Forschung vorhanden sein, also ein Megafachbereich, eine Spezialität dieser Uni, die dafür andere Fachbereiche hat sausen lassen. Dieses bedarf dann aber einer bundesweiten Absprache zwischen den Unis wo was gelehrt werden kann. Sonst kann es passieren, das alle Unis die Philosophie dicht machen, und wir in Deutschland keinen solchen mehr haben.

Wenn man das weiß, kann man mitreden. Nur wissen anscheinend viele Politiker und Verwaltungsbeamte nicht um diesen Sachverhalt.

Michael Bohn


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Arne Witte
Thu Nov 21 15:58:52 MET 1996